Albisheim – 1967
Die sehr alte Straße von Worms durch das Zellertal zum Donnersberg und weiter nach Kaiserslautern und Frankreich lud geradezu ein, Stützpunkte wirtschaftlicher Art in ihrem Zuge zu errichten. Darauf waren nicht allein die Beamten der Herrscher als Rast- und Verpflegestationen angewiesen, für die Könige und Kaiser mit ihrem zahlreichen Gefolge waren sie lebensnotwendig. Als ein solcher entwickelte sich Albisheim aus einem Königshof zum reinen Straßendorf und zum Mittelpunkt des ganzen Tales auf einem fruchtbaren Boden, der schon in der Steinzeit mehrere 1000 Jahre vor Christi Geburt eine sehr dichte Besiedelung zuließ. Die klimatisch begünstigte Lage – Jahrestemperaturmittel zwischen 9° C und 10° C – veranlasste wahrscheinlich die Römer, den Weinstock anzupflanzen. 708 wird ZeIl als Weinbau treibende Gemeinde erwähnt und der Wein wird es auch gewesen sein, der die Mönche des Klosters Prüm reizte, den König Ludwig den Frommen um die Verleihung der Kirche mit ihrem Weinzehnten zu bitten.
Heute umfasst die Weinbaufläche nur mehr 38 ha; 1898 z.B. wurden noch 54 ha ausgewiesen. Die Trauben werden großenteils in der Gebietswinzergenossenschaft Zellertal von rund 160 Genossen angeliefert. Die ungefähr 500.000 Liter Most, 1967er Ernte, reifen in der 1959 gebauten modernen Kellerei zu einem vollmundigen, edlen Getränk heran, dessen hohe Qualität auch verwöhntesten Ansprüchen gerecht wird.
Während die gesamte Rebfläche von landwirtschaftlichen Mittel- und Kleinbetrieben bebaut wird, haben diese selbst ihre dominierende wirtschaftliche Bedeutung, die sie noch vor 100 Jahren hatten, verloren.
Die 25 landwirtschaftlichen Betriebe sind auf einer Gesamtgemarkungsfläche von 1073 ha tätig, meist als Einmannbetriebe.
Angebaut wurden 1965 an Getreide 465,08 ha, darunter Weizen 142,95 ha, Roggen 122,79 ha, Gerste 148,23 ha, an Hackfrüchten 146,42 ha, darunter Zuckerrüben 82.44 ha, an Futterpflanzen 8644 ha.
An Ackerland standen unter dem Pflug insgesamt 700,66 ha und zwar 676,66 ha in Betrieben von 0,5 ha und mehr. Interessant ist, dass Gebäude und Hofflächen mit 21,62 ha, Wege, Straßen und Eisenbahnen mit 75,25 ha und Gewässer mit 14,59 ha ausgewiesen sind.
Die hervorstechende Bedeutung des Getreideanbaues ist klar zu erkennen, wobei der Albisheimer Gerste als Braugerste eine besondere Note zukommt. Für Kenner weit über die Pfalz hinaus ist noch das Ödland – der Saukopf – ein oft besuchtes Naturschutzgebiet. Als Insel mitten in der weiten, baumlosen Kultursteppe ist es die Heimat von über 140 Pflanzenarten, die hier auf dem Kalk-Mergelboden Lebensmöglichkeiten finden.
Bei 116 Vjehhaltern wurden 1965 neben 420 Stück Rindvieh und 756 Schweinen nur noch acht Pferde gezählt. Auch die acht Gänse und 20 Enten fallen bei 7903 Hühnern kaum ins Gewicht. Legten die älteren Generationen ganze Alleen von Linden und „Akazien“ als Bienenweide für Hunderte von Völkern an, so ist deren Zahl heute auf 67 zusammengeschrumpft.
Die Bauern konnten den Lebensunterhalt der 1280 Einwohner (Stand: 31.12.1966), 640 männlichen und 640 weiblichen, nicht gewährleisten. So ist es kein Wunder, dass die Einwohnerzahl des Dorfes von 1357 im Jahre 1958 auf den angegebenen Stand sank, zumal eine lndustrieansiedlung nicht erfolgte. Viele suchen ihre Beschäftigung in einem Umkreis bis zu 50 km und fast täglich fahren rund 240 Auspendler in die umliegenden Städte und Dörfer, allein 70 nach Ludwigshafen, 31 nach Worms, 30 nach Kirchheimbolanden, 19 nach Pfeddersheim, 16 nach Marnheim und die gleiche Zahl nach Grünstadt um nur die größten Zahlen hervorzuheben. Die fortschreitende Industrialisierung entzog auch dem früher reicher vertretenen Handwerk Boden. Die Holzküfer, vor 60 Jahren 3, sind ebenso verschwunden wie die reinen Hufschmiede. 2 Schmiede, weit mehr als Landmaschinenschlosser tätig, 2 Schreiner, 1 Sattler und Polsterer, 1 Schuhmacher, 1 Installateur, 2 Elektriker, 1 Wagner. 1 Kraftfahrzeugschlosser, 1 Maler, 1 Bauunternehmer, 1 Zimmereibetrieb sind um die materiellen Belange der Bewohner besorgt.
Dem Leiblichen Wohl dienen 3 Metzger, 2 Bäcker sowie 6 Gaststätten und 4 Friseure haben Arbeit. 5 Lebensmittelgeschäfte, 1 Schuh- und zwei Textilgeschäfte sowie ein Uhren- und Schmuckwarengeschäft setzen ihre Waren nicht allein an die Bürger von Albisheim, sondern auch an die der umliegenden Dörfer ab. Die Liste der dienstleistenden Betriebe wäre nicht vollständig, wenn nicht die beiden Großwäschereien erwähnt würden, ebenso wie ein Betrieb des Kohlen- und Heizölhandels und ein Transportunternehmen. Die überörtliche Bedeutung der Molkerei Albisheim, der größten der Nordpfalz, und der Einrichtungen der Raiffeisengenossenschaft mit ihren umfangreichen Lagern an Düngemitteln und landwirtschaftlichen Produkten kann hier nur kurz angeführt werden. Ihr angeschlossen ist eine moderne Reparaturwerkstatt für Landmaschinen mit 14 Beschäftigten. Dem kostbarsten Gut, der Gesundheit von Mensch und Tier, dienen 2 Ärzte, 3 Zahnärzte und 1 Tierarzt. Auch ihre Praxen greifen weit über den örtlichen Bereich hinaus.
Der Kindergarten der Prot. Kirchengemeinde Albisheim, erbaut unter Pfarrer Rolf Eckstein, wird von 60 bis 70 Kindern besucht. Für diese segensreiche Einrichtung ist das Dorf Albisheim besonders dankbar.
Ein Schmerzenskind der Gemeinde ist ihr Waldbesitz. Mit 164,75 ha liegt er etwa 10 km entfernt am Osthang des Donnersberges, einst hochwillkommenes Geschenk eines fränkischen Königs, wird er manches eichene Gebälk für die Häuser Albisheims geliefert haben. Seine Buchen sind heute nicht mehr gefragt. Daher überschritten 1966 die Ausgaben in Höhe von 22 046,- DM die Einnahmen um 466,- DM. Dieses Defizit wird sich in den kommenden Jahren vielleicht merklich erhöhen und die Stimmen einzelner kaufmännisch rechnender Bürger, den Wald abzugeben, scheinen nicht unberechtigt. Dagegen spricht nicht allein der Stolz des Alteingesessenen auf „seinen“ Wald, sondern auch die Tatsache, dass der Wald allgemein immer mehr Erholungsgebiet wird für zahllose Menschen im steinernen Häusermeer der Großstädte. Dankbare Aufgabe der Vereine und Schulen unseres Dortes wäre es, den Albisheimer öfter mit seinem Wald bekannt und vertraut zu machen. Dann würde er ihn mehr als seinen Ziergarten betrachten, der ja auch gepflegt werden muss, ohne Erlös abzuwerfen.
Die Rührigkeit der Bevölkerung geht auch aus dem erhöhten Bedarf an Wasser und Elektrizität hervor. Die ausreichende Belieferung stellte die Gemeindeverwaltung vor große Aufgaben. Von 1949 mit 250.000 kW pro Jahr stieg der Stromverbrauch auf 500.000 kW im Jahre 1957 an und 1967 wird die Millionengrenze überschritten werden. Daher musste das elektrische Ortsnetz verstärkt und neben einer Zuleitung zwei Transformatorenstationen neu errichtet werden. Der Bau eines Hochbehälters garantiert in Zukunft die Versorgung der am höchsten gelegenen Ortsteile mit Trinkwasser. In 240 m über NN bringt er rund 70 m GefälIe – Pfrimmbrücke 161 m über NN – und damit entsprechenden Druck, dem das zum großen Teil veraltete Rohrnetz nicht gewachsen ist. Der Gemeindesäckel wird daher in den nächsten Jahren dafür beachtliche Summen bereitstellen müssen. Gerade auf diesen Gebieten aber bewies die Bürgerschaft von jeher fortschrittliche Gesinnung und vorausschauenden Weitblick. Die Gemeinde hatte schon 1898 ihre eigene Wasserversorgung und besaß als eine der ersten in der Pfalz ein eigenes elektrisches Lichtnetz, das ursprünglich von der Steinmühle – Besitzer Reichstagsabgeordneter Janson – über Säurebatterien mit Gleichstrom gespeist wurde, ehe es nach dem Ersten Weltkrieg an das Überlandnetz angeschlossen wurde. An das riesige Mühlrad im Zuge des Mühlgrabens erinnern sich die Alten bestimmt noch. Straßenbau, Kanalisation, Bau von Lehrerwohnungen und Kläranlage (allein 1,5 Millionen) verschlangen bisher ebenfalls hohe Summen und so ist es nicht verwunderlich, wenn der reine Schuldenstand sich auf 460.669,- DM bei einem ausgeglichenen Haushaltsvolumen von 553. 300,- DM beläuft. Das sind pro Kopf 359,80 DM Schulden, ein Betrag, der die Verschuldung anderer Gemeinden noch lange nicht erreicht.
Nicht allein das saubere Ortsbild mit seinen gepflegten Häusern und Höfen, seinem schmucken Rathaus. den brandneuen Ortsteilen spiegelt den Fleiß und die Sparsamkeit seiner Bürger wider, sondern auch das Geld- und Kreditwesen seiner drei Kassen und Bankinstitute, deren Einzugsbereich ebenfalls die Nachbardörfer umgreift. Die Raiffeisenkasse, 1894 von 48 Mitgliedern gegründet, hat heute 625 Genossen, darunter etwa 250 Landwirte, und einen Umsatz von über 40 Millionen DM, der sich seit 1953 verdreifacht hat. Die Kreissparkasse errichtete am 1.4.1928 eine Nebenzweigstelle im Dorf. Seit 1961 wird sie als Hauptzweigstelle mit eigener Buchungseinrichtung geführt. 3254 Sparkonten weisen am 30. Oktober 1967 einen Einlagenbestand von 4.068.333,67 DM aus, während auf 594 Girokonten ein Guthaben von 393.297,69 DM verbucht ist. Von Albisheim aus wird eine Nebenstelle in Harxheim mit versehen. Auch die Volksbank Kirchheimbolanden mit ihrer Zweigstelle hat neben einem guten Kundenzugang eine kräftige Steigerung ihres Bargeldumsatzes auf 1.554.000,- DM in 1966 gegenüber 1.266.000,- DM in 1964 zu verzeichnen.
Obwohl die alten Industriebetriebe, Speiseölfabrik, Bettfedernputzmaschinen- und Stuhlfabriken verschwunden sind, beweisen diese Erhebungen, was eine mit modernen Maschinen ausgestattete Landwirtschaft und ein tüchtiges Gewerbe zu leisten vermögen. Als durchaus gesundes Gemeinwesen kann Albisheim getrost in die Zukunft blicken und wird bei der kommenden Verwaltungsreform seine Stellung nicht allein als wirtschaftlicher Mittelpunkt des Zellertales sondern auch als Verwartungszentrale behaupten.
Verfasser: Erwin Herzog, Quelle: Festschrift anl. der Einweihung der renov. Kirche und der neuen Orgel
Digitalisiert und überarbeitet: Rainer Schroedel