Von den Mennoniten in Albisheim

Die mennonitische Glaubensgemeinschaft ist in Albisheim heute mit 7 Familien vertreten. Die ersten Mennoniten kamen nach dem 30-jährigen Krieg in unser Dorf, nachdem der Fürst von Nassau-Weilburg ihnen Heimatrecht in seinen Landen gegeben hat. Sie stammen in dem Gebiet der Pfalz – auch der Kurfürst von der Pfalz gab ihnen Wohnrecht in seinem Land – meistens aus der Schweiz. Typische Familiennamen, die ihre Herkunft verraten und sie den Mennoniten zuweisen lässt, sind Namen wie Bürcky, Blickensdörfer, Wohlgemut oder Brubacher. Selbstverständlich gehören nicht alle, die heute noch diese alten Namen tragen, zu der mennonitschen Glaubensgemeinschaft.

Der Fleiß und der zähe Wille, getragen von einem buchstäblichen Erfüllen der Forderungen Jesu in der Bergpredigt, haben auch in unserem Dorfe durch die Mennoniten den Grundstein zu seinem späteren Blühen und Wachstum in den Jahren nach dem 30-jährigen Kriege gelegt. Dieser große Krieg, über dem in seltsamer Verschlingung glaubensmäßige und politische Gründe zum Tragen kamen, hatte in einem ungeheuren Maße unsere nähere Heimat und unser Dorf ausgeblutet, wohnten doch in diesen Jahren danach noch genau 28 Bürger in Albisheim. Trotz dieser aufbauenden Tätigkeit hatten die Mennoniten nicht nur in unserer Heimat, sondern überall da, wo sie versuchten Fuß zu fassen, einen schweren Stand, da sie den institutionalisierten Kirchen als Sekte galten. Hier liegt ein entscheidendes Missverständnis: heute wird die mennonitische Glaubensgemeinschaft als Evangelische Freikirche bezeichnet und gewertet. So schwer es vielleicht für Nichteingeweihte sein mag, den Unterschied zwischen Sekte und Freikirche zu formulieren – denn die Sektenbildung ist eines der Entwicklungsmerkmale in Glaubensfragen und -auffassungen, wie uns nicht nur der christliche Glaube lehrt, sondern auch andere Religionen wie das Judentum und der Islam -‚ so deutlich ist er zu markieren. Jede Gruppierung, die sich als Sekte von der offenziellen Glaubensüberzeugung abspaltet (lat. secta = die Partei, philosophische Richtung; Sekte darf nicht von lat. secta = die abgeschnittene Gruppe abgeleitet werden, sondern ist von sec(u)ta abzuleiten, was etwa „die einer Partei nachfolgende Gruppe“ bedeutet; ursprünglich genauso neutral gebraucht wie das griechische hairesis = Partei, Richtung, im Mittelalter aber als Häresie wie die Sekte auch im Sinne von ‘Irrlehre‘, ‘abweichende Gruppe‘ gebraucht.), benutzt außer in der offiziellen Glaubensrichtung bekannten Überlieferungen und Gebräuchen noch eigene Traditionen, die sonst unbekannt oder fremd sind. Für uns heißt dies, dass jede Gruppe, die außer den überlieferten Inhalten der biblischen Bücher noch andere glaubensbestimmende Überlieferungen kennt, als Sekte bezeichnet wird. Dies trifft bei den Mennoniten nicht zu. Sie kennen wie die beiden Konfessionen der katholischen und evangelischen Kirche als alleinige Richtschnur des Wandelns und Handelns den biblischen Kanon. Als evangelische Freikirche werden sie deshalb bezeichnet, da sie ihre Wurzeln wie die reformatorischen Kirchen in der Reformation haben, zugleich aber in konsequenter Deutung und Ablehnung mittelalterlicher Tradition die „Amts“kirche ablehnen, d. h. „frei“ sind. Die Mennoniten sind also in dem weiten Feld der religiösen Strömungen und dem vielfältigen Glaubensleben wie sie die Reformation nach sich führte, entstanden. Sie entstammen dem bunten Bild der verschiedensten Täufertraditionen. Die Wurzeln dazu liegen auf der Hand. In der Erkenntnis, dass im Urchristentum die Kindertaufe unbekannt war, verfochten die Anhänger des Täufertums die Erwachsenentaufe, da sie das eigene Bekenntnis zum christlichen Glauben forderten. Da ein solches Bekenntnis von dem Säugling und unmündigen Kinde nicht zu fordern war, hat Martin Bucer (*11. Nov. 1491, † 28. Feb. 1551), der Reformator von Straßburg, auf Grund der Stelle Apostelgeschichte 8, 14 die Konfirmation eingeführt, in der das Bekenntnis (confirmatio) von dem Jugendlichen nachgeholt wird. Da die ersten Täufer in konsequentem Festhalten ihrer Überzeugung sich als Erwachsene noch einmal taufen ließen, nannte man sie Anabaptisten, d. h. ‘Wiedertäufer‘. Diese Bezeichnung entwickelte sich immer mehr zu einem Schimpfwort und erhielt zum Schluss fast die Bedeutung ‘Irrlehrer‘, ‘Abweichler‘, wie die Ausdrücke Häretiker oder Sektierer auch.

Im folgenden sollen nun kurz die historischen Zusammenhänge dargestellt werden, um das Verständnis für die Entwicklung aus dem Täufertum zu den Mennoniten zu verstehen. Im Zuge der Predigt Luthers entstand seit 1520 die „schwärmerische“ Richtung, die sich auf selbsterlebte übernatürliche Offenbarungen berief. Ein Musterbeispiel dafür ist Thomas Müntzer, der nach der Schlacht bei Frankenhausen am 15. Mai 1525 gefangengenommen und wegen seiner Ideen enthauptet wurde.

Auch in dem Einflussgebiet Huldrych Zwinglis (*1.Jan. 1484, ~11. Okt. 1531) entstand sehr bald eine radikale Strömung, die die wahre Gemeinde zu verwirklichen suchte. Seit 1524 verfocht sie die Taufe der Erwachsenen und wurde, wie bereits oben erwähnt, von den Gegnern als Wiedertäufer beschimpft. Zwingli versuchte gegen sie vorzugehen, musste jedoch bald erkennen, dass sich die Bewegung der Taufgesinnten nur umso rascher ausbreitete. Das Alpengebiet, der Niederrhein, Mähren und Friesland waren die Gebiete, die ihnen zufielen, da das Täufertum Fuß im Kleinbürgertum fasste. Da in bestimmten Kreisen eine phantastische Offenbarungsgläubigkeit sich breit machte, wie zum Beispiel die Aussage, dass Gott von den Seinen die Vernichtung der Gottlosen durch das Schwert fordere, entstanden die wildesten Exzesse. Die Ausschreitungen aber waren die Folge der nahezu beispiellos brutalen Verfolgungen sowohl der katholischen wie der evangelischen Kirche gegen die Taufgesinnten. Selbst Leute wie Philipp Melanchthon (* 16. Febr. 1497, † 19. Apr. 1560) haben sich in Gutachten für die Hinrichtung der Taufgesinnten ausgesprochen, und kein Geringerer als Martin Luther (* 10. Nov. 1483, † 18. Febr. 1546) hat dies gutgeheißen. So wurden denn gerade in Kursachsen viele der sogenannten Wiedertäufer hingerichtet. Da alles auch in der Geschichte auf der Wirkung von actio und reactio beruht, dürfen wir uns nicht wundern, wenn auch bei den Taufgesinnten radikale Kräfte aufkamen und die Leitung übernahmen. Bezeichnend dafür ist die Übernahme der Macht in der Stadt Münster, in denen Schwarmgeister das „Reich Christi“ gründeten. In dieser Stadt fand 1533 durch die Predigt des Kaplans Bernt Rothmann die Reformation Eingang, aber Rothmann selbst geriet in die Kreise des radikalen Schwärmertums. Im folgenden Jahr kamen die „Propheten“ des Täufertums, Jan Beuckelssen aus Leiden und Jan Matthys, ein Bäcker aus Haarlem, der sich selbst für den Propheten Henoch hielt, nach Münster und gelangten bald zur Herrschaft über den Rat der Stadt und dessen Bürger. Nun begannen sie, ihre Ideen in die Tat umzusetzen: gesetzliche Wiedertaufe, Durchführung der Vielweiberei, Niederhaltung der Andersdenkenden, ja Jan Beuckelssen ließ sich als König des Königreiches Zion proklamieren. Franz von Waldeck, Bischof von Münster, begann seine Stadt zu belagern. Am 25. Juni 1535 wurde die Stadt erstürmt, die Schwärmer grausam bestraft und der katholische Glaube wieder eingeführt.

Die Entwicklung in Münster und die Katastrophe, die ihr folgte, hatte für die Entwicklung des Täufertums stärkste Wirkungen und Folgen gezeitigt. Sie war der Beginn von Verfolgungen, die unterschiedslos über alle Täufer hereinbrachen, auch über die große nicht radikale Masse. Mit großem persönlichen Mut, der aus der Glaubensüberzeugung floss, ertrugen Tausende das Martyrium, zu dem die großen Konfessionen mit ihre Händen erhoben hatten. Auch für die innere Entwicklung war die Erstürmung von Münster entscheidend und brachte eine gewisse Wende. Es gelang Menno Simons (* 1496, † 1561), einem früheren katholischen Geistlichen, zuerst in den nördlichen Niederlanden, die gemäßigten Täufer zu Gemeinden zu organisieren und das revolutionär – enthusiastische Täufertum zu überwinden. Er war nicht der Begründer der Mennoniten, die wie wir ja gesehen haben, auf dem bunten Feld der nachreformatorischen Bewegung ihre Wurzeln haben, aber er wurde sehr bald der führende Kopf der nach seinem Vornamen benannten Glaubensgemeinschaft. Er war in West- und Ostfriesland tätig, an der Ostsee, am unteren Rhein und in Holstein. Seine Anhänger verwarfen die Kindertaufe, den Eid und das institutionalisierte Christentum, lebten selbst aber in strenger Zurückgezogenheit und suchten durch strenges sittliches Verhalten Gemeinden von aktiven Gläubigen zu bilden. Außerdem erkannten sie das reformierte Bekenntnis an, dessen bekannteste Zusammenfassung uns in dem Heidelberger Katechismus, der 1563 auf Befehl Friedrichs III. von der Pfalz unter der Federführung von Zacharias Ursinus und Kaspar Olevianus verfasst wurde, vorliegt. (Das Abendmahlsverständnis des Heidelberger Katechismus fand übrigens Aufnahme im Katechismus der Prot. Kirche der Pfalz). Nach manchen Verfolgungen, die sich auch auf die Gemeinschaft der Mennoniten ausdehnten, wurden sie zuerst 1572 in Holland geduldet; danach folgten die Schweiz, etliche norddeutsche Städte wie Hamburg, Danzig, Emden und Elbing sowie auch – wie bereits erwähnt – die Pfalz.

Diese Ausführungen lassen erahnen, weshalb die Mennoniten trotz ihres Fleißes und ihrer bewusst gelebten Glaubensüberzeugung große Probleme mit der Kirche hatten. Man sah in ihnen – nicht nur historisch, sondern vor allem im Vollzug des Glaubens – die Nachfahren der alten schwärmerisch-radikalen Täuferbewegung und unterstellte ihnen wohl immer noch wiedertäuferisches Gedankengut. Hinzu kommt, dass sie im Laufe der Widererstarkung des dörflichen Lebens zu einer Minderheit wurden und sich um so stärker an ihre Glaubensbrüder hielten, eine Erscheinung, die wir auch bei den Juden erlebten. Das Blatt der Glaubensgeschichte, das wir hier aufgeschlagen haben, gehört nicht zu den Ruhmesblättern der Kirche. Dies können wir auch in der Geschichte unseres Dorfes beobachten:

Mit welchen Schwierigkeiten die Mennoniten vor etwas mehr als 200 Jahren hier zu kämpfen hatten, erhellt aus der Pfarrbeschreibung von Pfarrer Johann Adam Gümbel aus dem Jahre 1733, wenn er auf die Formalitäten bei Bestattungen auf dem hiesigen Friedhof zu sprechen kommt. Er schreibt:,,. . . sonsten hält jede Familie gemeiniglich ihren besonderen Platz, wo sie die Ihrigen nach und nach hin begraben läßt, und der hießigen Orths bestellte Todengräber hat Wißenschaft, wo jeder Familie Ihre bisher beobachtete Grabstätte seye . . . die Frembtlinge werden oben hin gegen den Berg zu beerdigt . . . denen Mennoniten aber, oder sogenannten Wiedertäufer (siehe dazu die Ausführungen oben!), wird ob sie es gleich unterschiedlich begehret, noch zur Zeit dahier kein Begräbnis verstattet, sondern sie müßen ihre Todten nach Weyer oberhalb Marnheim bringen. Der erste so hier im Münchhof gewohnet nahmens Ulrich Ummel suchte bey absterben seiner ersten Frau zur Zeit meines anteceßoris (= Vorgängers) mit anerbietung einer gewißen Summe Geldtes das Begräbnisrecht, unter der Bedingung seine Todten jedesmahl durch hießigen orths Evang. Geistlichen und nach unßeren gewöhnl. ceremonien bestatten zu laßen, bey Ambt und der damahligen Inspection zu Kirchheim nach, hat aber nichts erhalten. Ein gleiches haben die jetzige unterschiedene mahl tendieret, aber ohne effect.“ und er fügte hinzu: „Sonsten haben hier das Begräbnißrecht alle in hießiger Gemarkung liegenden Mühlen und Höfe, so zu hießiger Kirch eingepfarrt sindt; als der Hof Häuw oder Häuerhof, die sogenannte Schmeltzmühle, die Fortmühl, die Steinmühl, die Bappiermühl.“ Nach diesen Ausführungen muss nun wohl hinzugefügt werden, dass außer den Lutheranern auch den Reformierten und Katholischen das Begräbnisrecht eingeräumt war. Etwas später kommt Johann Adam Gümbel noch einmal auf das Begräbnisrecht der Mennoniten zu sprechen. Er schreibt: „Ao 1738 truge sich zu daß dem in der Steinmühl wohnenden Mennoniten Christel Staufer ein söhnlein verstarb; er suchte bey seiner adeligen Herrschaft dem Herrn von Gager zu Morschheim um erlaubniß an, ob er seinen Toden dörfe auf den Gagerschen Güthern, einem zur Steinmühl gehörigen Garten begraben, es wurde ihm bewilligt. Weil aber bey unßer Landes Herrschaft keine Anfrage deswegen geschehen, und ich, der Pfarrer, glaubte, daß das jus Sepulturae (Bestattungsrecht) nicht denen Adeligen zu stünde, sondern als ein annexum (= Anhang) der Landtsherrlichen regalien (= Hoheitsrechten), so erstattete hierüber, auf beschehene Anzeige, daß genannter Staufer mit Beerdigung seines Toden in einem Garten de facto fort gefahren, auch durch einen mennonitischen Prediger offentlich beym grab einen Sermon (= Predigt) halten lassen, alß neuerlich und ungebührlicher weiß deß noch nieh dahier verstattet geweßen Religions Exercitii (Rehgionsausübung) sich angemaßet, an das Ambt zu Kirchheim meinen Bericht ab; ob der damalige Ambtmann Dückenberg es höhern orthen gelangen laßen, weiß ich nicht, wenigstens ist mir keine antwort oder Verhaltungsbefehl zu gekommen.“ Und Gümbel führte weiter aus: „Ao 1741. Auf Charfreytag begehrte des hießigen im Münchhof wohnenden Wiedertäufers Jakob Brobachers Frau, eine Kindbetterin in ihrer zugestoßenen Krankheit durch des Georg Gerners Frau an mich, daß doch in unßer Kirchen Versammlung eine offentliche Fürbitte für sie thun möchte, bald durch Jacob Tagne (?)‚ daß ich der Pfarrer selbst zu ihr kommen, und ihr mit Zuspruch aus Gottes Wort in ihrem Kampf aßistieren möchte, welches beydes dan auch geschehen. Alß sie andern Tags darauf verstarb, verlangte ihr Mann, daß sie auf hießigen Kirchhof möchte mit unßeren gewöhnlichen (= üblichen)j ceremonien begraben werden. Ich berichtete Ihn wie solches in meiner Macht nicht stünde, verwieße ihn nach Kirchheim an die Gnädigste Herrschaft, und gab ihm ein Schreiben mit an Herrn Regierungs Rat Becker, worinn alle oben erzählten umbstände gemeldtet. Worauf mir in einem Handschreiben von obengesagten Herrn Regierungs Rat alßo geantwortet wurde:

Wohl Ehrwürdiger Hochgeehrter H. Pfarrer
Denen berichteten besonderen umbständen nach ist dem Wiedertäufer Brobacher erlaubet seine unter aßistenz eines Luther. geistlichen verstorbene Frau auf den dortigen Kirchhof mit gewöhnlichen ceremonien auch haltung einer Predigt begraben zu laßen, für welche Gdgste conceßion zehen Thaler ad pias causas (=für wohltätige Zwecke) erlegt werden sollen. Ich habe dießes auf das den Abend erhaltene in Antwort und zur Nachachtung unverhalten wollen stats verbleibend Pfarrers dienstwilliger diener Becker, Kirchheim, d. 2t. April 1741.
Zufolge dießer Conceßion wurde die verstorbene Frau den Ostermontag auf hießigen Kirchhof begraben. Einige hießige unverständigen und groben Gerichtsmänner vermeynten zwar, weil sie nicht auch seyen begrüßt und ihnen more solito (aus Gewohnheit) die gurgel geschwenkt worden, so könnten sie wenigstens den Gebrauch der Glocken disputieren und versagen, haben sich aber auf geschehene Vorzeigung vorstehenden Schreibens die Gedanken vergehen lassen.

Das Begräbnis ist ihr gleich forn auf dem armen Sünder Kirchhof angewiesen worden. Bald darauf supplicierten (= baten) die hießigen sämtlichen Wiedertäufer, daß ihnen und den Ihren mögte erlaubt werden auf hießigem Kirchhof ein offentliches und ordentliches Begräbniß mit unseren gewöhnlichen Evang. Lutherischen ceremonien und Geistlichen. Sie erlangten auch die gnädigste Verwilligung, daß denen Mennoniten im gantzen Land sollte verstattet seyn jedes orths seine Todthen auf offtl. Kirchhof zu begraben, jedoch mit dem Beding, daß sie einer guten aufführung wegen ein gut Zeugnis von denen orths geistlichen haben, und dann pro dispensatione (= für die Erlaubnis) für eine alte und verheyrathete person 10 fi (= Gulden) für eine unverheyrathete und ein Kind 5 fi erlegen müßen. Das diesfalls emanirte circular schreiben (= erlassene Rundschreiben) lautet von Wort zu Wort alßo:

Von Gottes Gnaden Carl August Fürst zu Nassau, Graf zu Saarbrück-Weilburg und Saarwerden, Herr zu Lahr Wißbaden und Idstein Fügen unßerm Ambt Kirchheim und Geistlichen darinn zu wissen:

Nachdem wir vor einigen Tagen dem zu Albisheim wohnhaften Mennoniten Jacob Bruhacher in Gnaden erlaubt haben, sein verstorbenes Eheweib auf dortigen Kirchhof mit allen gewöhn lichen cremonien begraben zu lassen, und übrige daselbst wohnende Mennoniten bey uns nun gleichmäßige Conceßin unterthänigst nachgesucht, daß Wir ihnen selbige nicht allein in Gnaden zugestanden, sondern auch auf übrige in unser Herrschaft befindliche Mennoniten um ihren Wohnorthen desgleichen genießen können, extendieret (ausgeweitet) haben, mit der Bedingung jedoch, daß sie sich ihres geführten christlichen sitten und ordentlichen Wandels halber durch bey zu bringende Zeugniß vorher gehörig legetimiren, und darauf vor einen Ehemann oder Eheweib zehen Guldten, vor ein Kind aber die Hälfte erlegen.

Widrigenfalls aber ihre Todten auf ihre Güther oder ihnen anzuweißenden Plätze zu beerdigen gehalten seyn sollen. Kirchheim, d. 17 t. April 1741.“

Diese Auszüge aus der Gümbelschen Pfarrbeschreibung lassen erahnen, was für Schwierigkeiten die Mennoniten überwinden muhten, da ihnen noch nicht einmal gestattet war, ihre verstorbenen Angehörigen auf dem Albisheimer Friedhof beizusetzen. Sie erlebten – wie die Juden -, was es heißt, einer Minderheit anzugehören. Hier ist im Laufe der Zeiten ein Wandel eingetreten, der zu einem besseren Miteinander führte. In vielen Fällen ist grobes Unwissen über den andern die Ursache von manchen Missverständnissen oder gar Nachreden. Hier vermag das Gespräch miteinander zu besserer Kenntnis zu bringen, zugleich aber auch Achtung vor einander zu bewirken. Ein Wandel in der öffentlichen Wertschätzung der Mennoniten ist auch in unserem Dorf zu verzeichnen: nach dem 2. Weltkrieg wurden Hermann Wohlgemuth und Rudolf Wohlgemuth als Bürgermeistern die Geschicke unseres Ortes anvertraut
– ein deutliches Indiz für die Änderung in der Beurteilung des Mennonitentums in den letzten zwei Jahrhunderten.
Ich bin mir bewusst, dass das wenige dieser Zeilen nicht für eine Gesamtwürdigung der Mennoniten in Albisheim ausreicht, aber es sollte hier einmal ein kleiner Anfang gemacht werden, um Missverständnisse auszuräumen. Zum Schluss erinnere ich alle an das Wort Jesu:

Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.
(Matth. 10, 32 + 33)

Verfasser: Rüdiger Unger, Quelle: Festschrift anl. der 1150 Jahr-Feier der Gemeinde Albisheim, 1985.
Digitalisiert und überarbeitet: Rainer Schroedel